Die fliegenden Seiten von Peter Tögel


Die Gemischeinstellung - eine endlose Geschichte

Lange lange lange habe ich es vermieden, mich zu diesem Thema zu äußern. Denn bei der Gemischeinstellung - also beim Themenkreis Leanen - versteht der gemeine Pilot wahrlich keinen Spaß. Schließlich ist der rote Hebel ja rot und das bedeutet zusammengefasst: Finger weg davon!

Verbrauch einer PA28-181Dabei scheint selbst die Gemischeinstellung eines Standardflugzeuges - also mit Vergasermotor und Festpropeller - schon eine derartige Geheimwissenschaft zu sein, dass diese eben so streng geheim ist, dass sie anscheinend niemand kennt oder versteht. Nur hinterher, wenn ein Schaden am Motor aufgetreten ist, dann weiß jeder Bescheid: Kaputt geleant.

Nicht nur wegen den aktuellen und überaus erschreckenden Treibstoffpreisen erscheint es aber nun doch dienlich, ein paar Worte zu diesem Thema zu verlieren.

Wenn man sich mal das Handbuch einer Piper PA28-181 - also einem echten Standardflugzeug - vornimmt, erkennt man, daß vom Hersteller ein Verbrauch von 29 bis 34 Liter pro Stunde bei einer Leistungseinstellung von 65% angegeben wird. Beide Verbrauchsangaben beziehen sich auf verarmtes Gemisch, nämlich auf best economy oder best power Gemisch.
Das ist eigentlich nicht sehr viel. Dennoch werden die meisten Vereine und Vercharterer solche Flugzeuge mit 40 bis 42 Liter je Stunde kalkulieren. Und das ist dann doch ziemlich viel. Ein großer Teil dieser Differenz aus den beiden Verbräuchen ergibt sich aus dem nicht betätigten Gemischhebel.

Obwohl doch viele Regeln existieren wie beispielsweise "niemals unter 5000 Fuss leanen", so muss man doch feststellen, dass sich alle Verbrauchsangaben in den Handbüchern immer auf verarmtes Gemisch beziehen.
Der Hersteller nennt keine Verbrauchsangeben für vollreiches Gemisch, denn er kennst diese letzendlich nicht, weil sie von der Grundeinstellung des Vergasers abhängen, die ggf. bei einer Motorüberholung sowieso verändert wird. Und weil er davon ausgeht, dass ein Flugzeug immer mit korrekt eingestelltem Gemisch geflogen wird.

Nur durch ein verarmtes Gemisch ist somit eine korrekte Kraftstoffbedarfsrechnung für einen Flug möglich, alles andere ist ins "blaue" hinein geflogen. Tatsächlich gibt es einige Flugzeuge, die bei verarmtem Gemisch einen Verbrauch von 30 Liter pro Stunde haben und bei vollreichem Gemisch etwas über 40 Liter pro Stunde ziehen. Da fragt man sich, wie überhaupt ein Streckenflug bezogen auf den Treibstoffverbrauch kalkuliert werden kann, wenn das Gemisch nicht korrekt eingestellt wird.

Die Grundeinstellung des Vergasers - also die Treibstofffördermenge bei nicht betätigtem Gemischhebel - ist ein eigenes Kapitel für sich und soll hier nicht weiter behandelt werden. Letztendlich ergibt sich diese aus einem vom Hersteller des Flugmotors vorgegebenem Mindestverbrauch auf dem Prüfstand.
Muss man sich - um die Sache zu verstehen - aber darüber klar werden, dass der Vergaser eines Flugzeugmotors auch im Winter bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt und einem besonders hohen Luftdruck (bei vollfetter Gemischeinstellung) ein zündfähiges und leistungsgerechtes Gemisch bereitstellen muss. Dass dann bei der dünnen Luft eines heißen Hochsommertages (bei gleicher vollfetter Gemischeinstellung) das bereitgestellte Gemisch überfett ist, versteht sich dann eigentlich von selbst. Das ist aber auch nicht weiter schlimm, denn (dafür) es gibt ja den roten Gemischhebel, um das zu regulieren.

Best economy nach C172 HandbuchDie Einstellung des Gemischs für beste Leistung (best power) ist übrigens bei Motoren mit Festpropeller denkbar einfach: Man stellt zuerst die gewünschte Leistung bzw. Drehzahl mit dem Gashebel ein, zieht dann langsam den Gemischhebel und hört auf den Motor. Wenn dieser rauh wird und die Drehzahl abfällt, bewegt man den Gemischhebel wieder etwas nach vorne, bis man maximale Drehzahl hat. Ist man auf der maximale Drehzahl, hat man das Gemisch für beste Leistung (best power) eingestellt. Ggf. muss man dann sogar den Gashebel anschließend wieder etwas zurückziehen, weil man nun über ursprünglich gewählten Leistung liegt.

Die Einstellung für wirtschaftlichste Leistung (best economy) ist etwas schwieriger. Diese erreicht man, indem man den Gemischhebel so weit zieht, dass der Motor bereits 25-50 rpm an Drehzahl verliegt. Dabei wird er je nach Ansaugsystem und Gemischzuteilung ggf. etwas rauh laufen.

Je geringer die Höhe ist, desto näher liegen die Gemischeinstellungen für beste Leistung (best power) und wirtschaftlichste Leistung (best economy) beieinander, aber mit zunehmend geringerer Luftdichte - also gerade im Sommer - oder bei Höhen ab FL 50 ist das differenzierte Einstellen von Gemischen für beste Leistung (best power) oder wirtschaftlichste Leistung (best economy) bei Vergasermotoren mit Festpropeller nicht schwer.

Das berühmte Schaubild... Bis vor einiger Zeit war eine Diskussion um die Gemischeinstellung in Privatpilotenkreisen nicht möglich, weil diese sofort wegen der im verarmten Zustand wegfallenden Innenkühlung totgeschlagen wurde:
"Ziehst du rot, bist du tot!"
Gespräche dieser Art offenbaren oftmals, dass der Unterschied und der Zusammenhang zwischen Zylinderkopftemperatur und Abgastemperatur nicht bekannt ist. Dabei ist auch dies ganz einfach:
Die Zylinderkopftemperatur ist die Temperatur, die der Zylinderkopf einnimmt. Diese ist nach oben hin insbesondere durch einen steilen Anstellwinkel beim Steigen fast belieblig steigerbar, auch wenn bei Temperaturen oberhalb von 550°F das Material des Zylinderkopfes weich wird und sich infolgedessen Schäden einstellen können.
Die Abgastemperatur ist die Temperatur, mit der das heiße (verbrannte) Abgas aus dem Zylinder am Auslassventil vorbei herausgedrückt wird. Bei einem nicht turbogeladenen Vergasermotor ist diese Temperatur nicht über 1560°F steigerbar, wobei das Auslassventil dies grundsätzlich und dauerhaft aushalten muss. 1560°F ist übrigens die Abgastemperatur für wirtschaftlichste Leistung (best economy), während 1460°F die Abgastemperatur für beste Leistung (best power) darstellt.

Das berühmte Schaubild "Power versus operating temperatures" kennt (fast) jeder und interessanterweise ist es auch in den meisten Handbüchern (operating manual) der verschiedenen Flugmotoren genau so abgebildet. Bei "genau so" muss man allerdings stutzig werden und insbesondere sind auch die Kurven "verdächtig" idealtypisch - aber das nur am Rande. Dieses oftmals strapazierte (und idealisierte) Schaubild soll ja gerade die Korrelation zwischen einer hohen Abgastemperatur und einer hohen Zylinderkopftemperatur darstellen. Bei den verschiendenen Veröffentlichungen werden dabei aber gerne die links abgetragenen Temperaturen eben nicht gezeigt. Offenbaren diese doch, dass die Zylinderkopftemperatur (idealisierterweise) nur eine Senkung um gerade mal 20°C (ca. 80°F) zwischen dem heißesten Abgas von 1560°F und einer denkbar kalten Abgastemperatur von 1360°F zeigt.

Das (idealtypische) Schaubild habe ich übrigens aus dem Handbuch eines Continental IO 550 Motor, also eines (doch ziemlich großen) 6 Zylinder Einspritzmotors. Bezeichnenderweise ist das gleiche Schaubild im Handbuch meines Lycoming O 320 zu finden und das ist ein kleiner 4 Zylinder Vergasermotor.

In der Praxis besteht ganz besonders bei Vergasermotoren allerdings gar kein rechter Zusammenhang zwischen Abgastemperatur und und Zylinderkopftemperatur, wie nachfolgende Bilder eines Motorscanners EDM 700 in Verbindung mit einem O-320 Motors beweisen.Alle folgenden Aufnahmen sind im Reiseflug bei ca. 3000 Fuss aufgenommen. Der Anstellwinkel wurde nicht verändert und auch nicht die Leistungseinstellung.

Die ersten beiden Aufnahmen zeigen digital die Temperaturen des Zylinders Nummer 2, zuerst arm, dann reich. Links wird digital die Abgastemperatur und rechts digital die Zylinderkopftemperatur angezeigt.
In beiden Fällen ist die Zylinderkopftemperatur bei gezogenem Gemischhebel (arm) höher als bei vollreichem Gemisch.
Die übrigens relativ "kalten" Abgastemperaturen auf diesem Zylinder erklären sich auch den unterschiedlich langen Ansaugwegen bei teilgeschlossener Vergaserklappe. Die Ladung dieses Zylinders ist somit schlechter als die des Zylinders 3.

Zylinder 2, armes Gemisch Zylinder 2, fettes Gemisch

Die folgenden beiden Aufnahmen zeigen digital die Temperaturen des Zylinders Nummer 3, wieder zuerst arm, dann reich. Links wird digital die Abgastemperatur und rechts digital die Zylinderkopftemperatur angezeigt.
Wie man schön erkennt, ist auch die Zylinderkopftemperatur bei gezogenem Gemischhebel (arm) höher als bei vollreichem Gemisch.
Übrings ist hat der Zylinder Nummer 3 zwar ziemlich maximale Abgastemperaturen, dafür aber - im Vergleich zu Zylinder Nummer 2 - ziemlich kalte Kopftemperaturen. Auch darauf hat man keinen Einfluss, dies ergibt sich nämlich aus der Konstruktion der sogenannten Airbox, die für die Kühlung der einzelnen Zylinder verantwortlich ist.

Zylinder 3, armes Gemisch Zylinder 3, fettes Gemisch

Natürlich lassen sich auch Situationen zeigen, bei denen mit höherer Abgastemperatur eine höhere Zylinderkopftemperatur einhergeht. Diese bestehen aber nicht zwangsläufig und schon gar nicht in der Art, dass man die Zylinderkopftemperatur durch ein fetteres oder gar vollreiches Gemisch effektiv senken könnte. Weitere Details hierzu will ich dem Leser ersparen.
Da also - wie gezeigt - kein rechter Zusammenhang zwischen Abgastemperatur und Zylinderkopftemperatur herstellbar ist, bezeichne ich die ganze Angelegenheit als die "Mär von der Innenkühlung".
Das bedeutet keinesfalls, dass es keine Innenkühlung gibt! Die gibt es selbstverständlich, aber die Auswirkungen auf die Zylinderkopftemperatur eines luftgekühlten Flugmotors ist doch sehr gering und kann fast als akademisch betrachtet werden.

Vermutlich aufgrund eines Eintrages bei Wikipedia wird neuerdings - nachdem ja die Abgastemperatur dank dem Einsatz von Motorscanner und Gehirnschmalz nicht mehr als Argument gegen eine korrekte Gemischeinstelung herhalten kann, erstaunlichereise das Einlassventil als kritischer Punkt beim Verarmen des Gemisches herangezogen. Lassen Sie sich auch hiervor nicht vom korrekten Bedienen des Flugmotors abbringen: Das Einlassventil wird entweder von relativ kalter Ansaugluft umströmt oder sitzt satt auf dem Ventilsitz, wo es die Hitze an den Zylinderkopf abgeben kann.

Die ganze verworrene Diskussion mit der Innenkühlung und nun die Sache mit der Kühlung der Einlassventile scheint mir übrigens daher zu kommen, dass verschiedene Flugzeugmotoren nicht ausreichend in ihrer Unterschiedlichkeit berücksichtigt werden.
So bewirkt bei einem Einspritzmotor aufgrund der unmittelbaren Nähe der Injektoren am Zylinderkopf eine Erhöhung des Treibstoffzuteilung in der Tat eine (geringfügige) Abkühlung des Zylinderkopfes. Nicht jedoch bei einem Vergasermotor, bei dem der (sich abkühlende) Vergaser unter der Ölwanne und weit entfernt vom Zylinder sitzt. Ebenso muss bei einem turbogeladenen Flugmotor die Abgastemperatur genau beobachtet werden; allerdings nicht so sehr wegen dem Auslassventil, sondern vielmehr weil der Turbolader im Vollastbereich ansonsten zu heiß wird: Hier kann man dann auch endlich mal so richtig kaputtleanen!

Den Zylinderkopf eines Flugmotors hält man in den zulässigen Bereichen, in dem man die Steigfluggeschwindigkeiten, die im Handbuch angegeben sind, einhält. Und nicht durch Nicht-Ziehen des Gemischhebels. Denn der ist nur für die Abgastemperatur zuständig.
Dabei gilt folgende Regel: Flaches Steigen senkt die Zylinderkopftemperatur (weil über die höhere Fahrt mehr Kühlluft zur Verfügung steht) und erhöht gleichzeitig die effektive freigesetzte Leistung des Motors (weil die Drehlzahl zunimmt).

Übrigens: Bei einem AvGas Preis von EUR 2,40 je Liter (Stand Mai 2008) ergibt sich bei 65% Leistung einer PA-28-181 ein Verbrauch von 34 Liter pro Stunde bei einer Gemischeinstellung für beste Leistung (best power). Das wären umgerechnet EUR 81,60 pro Stunde. Ein üblicher Verbrauch von ca. 42 Liter hingegen bedeutet umgerechnet EUR 100,80, also fast ein Viertel mehr. Und das muss nicht sein. Und die knapp EUR 20,00 je Stunde kann man doch gewiss besser nutzen, also diese zum Auspuff herauszublasen.

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Diese Seite wurde zuletzt am 16.06.2009 aktualisiert.